Meine Eishockeykarriere Teil 2, oder ‚Jugendlicher Übermut‘
Jugendlichen Übermut kann man es nennen. Oder wie sagt man dem? Grenzenloses Gott- oder Selbstvertrauen? Naivität? Ein Mix von allem?
Aber nun der Reihe nach.
Mit 19 hatte ich tatsächlich immer noch das Gefühl, trotz meiner Fliegenfänger-Vergangenheit, dass ich es als Eishockeytorhüter von der 3.Liga Ersatzbank aus direkt ins Profigeschäft schaffen könnte. Aber dafür musste ich natürlich etwas tun.
Es gab schon damals Trainingslager, für die sich jedermann anmelden konnte. Nun, dies musste doch der Weg ins Glück sein! Ich sparte mir also das Geld zusammen und besuchte gleich zweimal hintereinander ein solches Lager. Einmal in Bern, dann in Biel. Man wohnte, aß und trainierte in der Eishalle, und ich lernte dabei allerlei Eishockeygrössen kennen: In Bern Renzo Holzer, Dellsperger, Hofmann, Cadieux, und wie die Leiter so hiessen. Vor allem die Woche in Biel ist mir aber in besonderer in Erinnerung. Mit René Stampfli sass ich einige Male zusammen. Bei ihm erinnere ich mich, dass er einmal zusammen mit seinem Hund ein Sandwich verzehrte: Ein Biss für den Hund, ein biss für René, ein Biss für den Hund, dann wieder einer für René, bis nichts mehr übrigblieb. Auch Trainer Jean Helfer – der mich mit seinen fiesen Stocktechnik-Tricks immer wieder bös veräppelte - und Köbi Kölliker waren ständig zugegen. In dieser Woche erhielt ich denn auch das absolut grösste Lob meiner Karriere. Am letzten Tag wurde gemätschelt, und Kölliker übernahm das Coaching der Gegenmannschaft. Am Ende des Spiels kam er zu mir und sagte:
„Du, ich habe meiner Mannschaft zu Beginn des Spiels gesagt: Bei diesem Goalie müsst ihr einfach nur schiessen, der lässt alles rein. Aber dann hab ich gesehen, dass du ja allerhand hältst. Gratuliere!“
Ja, da fühlte ich mich wahrlich auf einer Hockeywolke!
Vielleicht hat mich dies auch dazu animiert, dass ich dann eines schönen Tages den damaligen Kloten Trainer Jürg Ochsner anrief und ihm mitteilte, dass ich Goalie bei Kloten werden wolle. Päng. So und nicht anders.
Ochsner schwieg. Eine lange Zeit. Er krümmte sich nicht vor Lachen. Und er fuhr mich nicht an, dass ich ihm seine Zeit stehle. Er schimpfte mich auch nicht Träumer und Utopist, dem sowas Skurriles einfalle. Und er fragte nach nichts. Nicht wo ich spiele, nicht nach meinen bisherigen, besonderen Goalie-Taten. Er sagte nur:
„Gut, am nächsten Dienstag bist du um 18.40 bei uns in der Umziehkabine.“
Und so kam es, dass ich am besagten Abend mit ziemlich weichen Knien auf der KEB ankam. Die Mannschaft war am trainieren – schon längst, wie ich dann erfuhr. Ochsner sah mich und trat mir entgegen.
„Bursche, das Training ist um 19 Uhr zu Ende. Jetzt machst du dich parat, den Rest der Zeit darfst du noch mittrainieren. Wieviel Zeit dir dafür bleibt, kommt darauf an, wie rassig du dich umgezogen hast.“ Sprachs und begab sich wieder zum Spielfeldrand.
Wer schon mal eine Torhüterausrüstung angezogen hat, weiss, wieviel Aufwand dafür nötig ist. Aber ich kann dir sagen, ich hatte bisher noch nie, und auch später nie mehr so wenig Zeit dafür gebraucht. Unter Schweiss und mit zittrigen Händen hauderte ich mir die Ausrüstung an, stand etwa acht Minuten vor sieben auf dem Eis und durfte auch gleich in die Kiste. Einige der Spieler hatten sich schon mal zum Umziehen in die Kabine gemacht, und dennoch lief noch ein grösserer Teil meiner Helden mehrmals zum Penalty an, so etwa die Lautenschlagers, Andi Schlagenhauf, Déry, Paterlini und wie sie hiessen. Einer von ihnen war Heini, mit dem ich auch schon zur Schule gegangen war, und der in der Klasse in jeder Beziehung als grösste Sportskanone galt und daher schnell den Sprung in die erste Mannschaft gefunden hatte. Als er mich da im Tor stehen sah, fragte er verblüfft:
„Was Resli*, bist du jetzt auch bei uns?“
Nach diesem Penaltyschiessen, bei dem ich sogar ein recht gutes Gefühl hatte, kam Jürg Ochsner und sagte, entweder würde ich wieder von ihm hören, oder dann eben nicht, und ich durfte ihm meine Telefonnummer geben.
Ich hörte nichts mehr von ihm.
Das ganze Erlebnis war für mich eindrücklich und hinterliess auch wieder einen Lehrblätz, aber ohne, dass es deswegen viel Wesentliches von meinem damals naiven Selbstvertrauen hätte zerstören können. Ich glaubte noch lange, dass sich alle Wünsche eigentlich erfüllen liessen. Und ein Stück von diesem Glauben ist mir bis heute übriggeblieben.