Und ebenfalls aus der NZZ (online)
«Die Eishockey-Legende der Woche»: Victor Stancescu war auf dem Eis derb und neben dem Feld intellektuell - er blieb aber ohne Meistertitel
In einer Serie präsentieren wir wöchentlich eine Legende aus dem Schweizer Eishockey. Aggressiv auf dem Eis, daneben intellektuell und immer ehrgeizig: Victor Stancescu, Captain, Anwalt und Klubpräsident.
Yves Tardent
04.03.2021, 12.00 Uhr
Victor Stancescu am 8. Januar 2016 mit Frau und Kindern, als seine Nummer vom EHC Kloten zurückgezogen wird.
Victor Stancescu am 8. Januar 2016 mit Frau und Kindern, als seine Nummer vom EHC Kloten zurückgezogen wird.
Nick Soland / Keystone
Am 8. Januar 2016 war es so weit und Victor Stancescu wurde offiziell eine Klotener Legende, nur vier Monate nach seinem gesundheitlich erzwungenen Rücktritt mit erst dreissig Jahren. An diesem Abend wurde seine «22» unters Hallendach gezogen, als achte Nummer, die im EHC Kloten nicht mehr vergeben wird.
Stancescu stand mit seiner Frau und den beiden Söhnen unten auf dem Eis und blickte etwas verklärt auf den hochschwebenden Banner. Im Gegensatz zu den sieben anderen Legenden, deren Nummern dort hängen, wurde Stancescu auf höchster Ebene nie Meister.
Dennoch ist Stancescu in der Ahnengalerie überhaupt nicht fehl am Platz. Nach dem Start als Kind beim EHC Illnau-Effretikon verbrachte er seine ganze Karriere am Schluefweg, stand dreimal im Play-off-Final und war fünf Jahre lang Captain in einer Zeit, als der Klub mehr als einmal existenziell vom Konkurs bedroht war. Auch auf dem Eis waren die Kontraste zwischen Finals und Abstiegsrunden in jener Zeit gross.
Gerade in den schwierigen Zeiten stand Stancescu als Captain immer Red und Antwort und wirkte dabei so, als müsse er den ganzen Klub alleine auf seinen Schultern tragen. Im Rink war er der Aggressivleader und Vorkämpfer – und oft auch auf der Strafbank, wenn er zu viel erzwingen wollte. In der sportlich schwierigen Saison 2012/13 war er der meistbestrafte Spieler der ganzen Liga.
Für die Eltern war klar, dass er Arzt oder Anwalt werden sollte
Sein derbes Verhalten auf dem Eis kontrastierte mit seinem intellektuellen Geist und seiner Sanftheit daneben. In Bukarest geboren, kam er als kleines Kind nach Dietlikon, und es war für seine im Kommunismus geprägten Eltern immer klar, dass er – Eishockey hin oder her – Arzt oder Anwalt werden sollte.
Seine Eishockeykarriere stand schon auf Messers Schneide, bevor sie richtig angefangen hatte. Nach einer Hüftoperation in jungen Jahren sagte ihm der Arzt, eine professionelle Karriere könne er vergessen. Stancescu war dankbar für jedes Jahr, das er trotzdem spielen konnte, doch im Herbst 2015 versagten Hüfte und Rücken endgültig den Dienst.
Da hatte er sein Jurastudium schon längst abgeschlossen und nahm seine Doktorarbeit in Angriff: «Der Sportklub als AG mit nichtwirtschaftlichem oder gemischtem Endzweck». Mittlerweile hat er auch das Anwaltspatent und arbeitet in einer Kanzlei in Zug. Seine Tage seien nun viel ausgefüllter als zuvor. Am Nachmittag einfach so mit den Buben zu spielen, liege nicht mehr drin.
Dem Eishockey bleibt der bald 36-Jährige verbunden. Nach einer kurzen Episode als Einzelrichter der Liga amtet er seit vergangenem Jahr als Vereinspräsident des EHC Kloten. Zudem spielt sein älterer Sohn im Klotener Nachwuchs. Und wenn es erlaubt ist, spielt Stancescu selber bei den Veteranen mit.