«Es macht einfach Sinn, dass ich Headcoach bleibe»
Der Kanadier verrät, wie er trotz Krankheit seinen Job weiter ausführen will, auf welche Spieler er sich am meisten freut und was die Fans in der neuen Saison vom Aufsteiger erwarten dürfen.
Jeff Tomlinson, Sie sind gerade in Düsseldorf. Was tun Sie dort?
Ich bin Zuhause bei meiner Familie (er hat mit seiner zweiten Frau eine Tochter (4), zudem zwei in Nordamerika lebende Söhne (21, 23) aus erster Ehe; Redaktion) und pendle momentan zwischen der Schweiz (Kloten) und Deutschland.
Wie geht es Ihnen?
Super, ich hatte bis jetzt einen schönen Sommer, aber auch viel zu tun. Ich freue mich auf die neue Saison.
Aber am Tag nach dem geschafften Aufstieg sagten Sie: «Ich kann nicht mehr alles so tun wie früher». Worin sind Sie durch Ihre Krankheit am meisten eingeschränkt?
Das ist schwer zu sagen, denn es ist das gesamte Paket. Ich brauche mehr Erholung und muss daher mehr delegieren. Der Club hat dafür gesorgt, dass ich viel Unterstützung erhalte, ohne die ich meinen Job nicht machen könnte. Geistig bin ich aber topfit. Die Arbeit macht mir Spass, sieht einfach etwas anders aus.
Wie denn?
Unser gesamtes Coaching-Team ist gut aufgestellt. Ich kann auf hervorragende Spezialisten, Assistenten und Goalie-Coach, zählen und Verantwortung delegieren. Als Headcoach bin ich verantwortlich für das Gesamtbild, dass alles zusammenpasst und dass wir eine Einheit bilden. Das Eishockey entwickelt sich immer mehr in diese Richtung. In der NHL wird schon länger so gearbeitet. Hier hat ein Coach bis zu vier oder fünf Assistenten. Die Verantwortungen werden auf mehrere Schultern verteilt, ich trage aber die Gesamtverantwortung.
«Erfolgscoach Tomlinson bleibt dem EHC Kloten treu, gesundheitliche Gründe zwingen ihn aber kürzer zu treten», verkündete der EHC keine 24 Stunden nach dem Aufstieg. Nun bleiben Sie doch Cheftrainer, wie kam es dazu?
Es macht einfach Sinn, dass ich Headcoach bleibe. Es wäre schwierig gewesen zu sagen, ok ich trete jetzt in den Hintergrund und ein anderer Coach kommt. Auch für die Spieler und den neuen Trainer. Wir haben gesagt, dass es gut klappen kann, wenn ich noch etwas mehr Support erhalte. Der Club unterstützt mich enorm und gibt mir die Möglichkeit, meinen Job zu machen. Sportchef Patrik Bärtschi hat volles Verständnis und ein gutes Gespür.
Ende April sagten Sie, es gehe um die beste Lösung für den Club und die Spieler. Ist sie das nun tatsächlich?
Ja, wir haben unsere Analysen gemacht, Gespräche geführt und sind von dieser Lösung überzeugt.
Wie viel Spielraum gab es überhaupt für andere Lösungen?
Wie bereits erwähnt, haben wir nach dem Aufstieg viele Gespräche geführt. Spieler mit Leaderfunktion im Team sowie die sportliche Leitung haben sich klar für diese Lösung ausgesprochen. Wir sind auf gutem Weg, wieso etwas ändern? Es ist die beste Lösung.
Mit Saku Martikainen steht Ihnen neben Kimmo Rintanen neu ein weiterer Finne als Assistent zur Seite. Was bringt er an den Schluefweg mit?
Er hat auch viel Erfahrung in der Ausbildung. In Finnland hat er jahrelang im Nachwuchsbereich gearbeitet, war letztes Jahr Assistenzcoach der U18-Nationalmannschaft. Er hat Talente zu Profis gemacht, jungen Spielern zum Sprung in die NHL verholfen. Er bringt eine andere Sichtweise in unser Team.
Was sind seine Qualitäten?
Die Ausbildung und Förderung junger Spieler. Wir wollen sie in Kloten ausbilden und auf einen guten Weg bringen. Ihnen die beste Chance bieten, um Profi zu werden. Mit unserem gesamten Staff haben Junge gute Trainer an ihrer Seite. Und Saku Martikainen ist ein guter Typ. Er muss ja auch als Mensch in unser Team passen. Er ist ein Familienmann, loyal, schont sich nicht. Das sind alles Eigenschaften, die wir in unserem Team wollen.
Wie wird die Aufgabenteilung an der Bande und auf dem Eis sein?
Saku ist für die Verteidigung zuständig, Kimmo für den Angriff und ich werde den Überblick haben. Goalietrainer Tim Bertsche, der die Spiele filmt und uns von oben immer wieder wertvolle Inputs durchgibt, habe ich wieder in meinen Ohren. So haben wir noch mehr Augen auf dem Eis. Im Vergleich zu letzter Saison ändert sich also nichts gross.
Markanter sind die Veränderungen im Kader. Welche Transfers sind hervorzuheben?
Das Kader ist noch nicht fix, deshalb ist es schwierig, schon jetzt darüber zu sprechen. Im Training gilt es herauszufinden, wer in unser Team passt und wem wir den Schritt in die National League zutrauen. Dabei geht es nicht nur darum, ob einer ein guter oder schlechter Hockeyspieler ist. Auch vom Typ her muss er in die Garderobe und zu unserer Philosophie passen.
Auf welche neuen Spieler freuen Sie sich besonders?
Irgendwie auf alle, die neu dazugekommen sind. Wir haben sie geholt, weil wir mit ihnen zusammenarbeiten wollen. Aber ich freue mich ebenso auf Marchon, Meyer, Kindschi und alle anderen. Beispielsweise auf Reinbacher, weil ich wissen will, wie er sich entwickelt hat und seinen nächsten Schritt macht. Zuerst müssen wir schauen, wie sie alle spielen. Sind sie in der Lage, das Tempo in der National League mitzuhalten und sich körperlich wie mental durchzusetzen? Es gibt noch so viele offene Fragen bis zum Saisonstart.
Das Ausländer-Sextett ist beinahe komplett. Wie schätzen Sie das Potenzial der neuen Skandinavier ein?
Sie sind unbestritten gute Eishockeyspieler und haben ihre Qualitäten. Doch die KHL oder die Ligen in Schweden und Finnland sind unterschiedlich, auch anders als in der Schweiz. Wenn einer in der KHL gut war, heisst das nicht automatisch, dass er es auch in der National League ist. Dasselbe gilt für die Unterschiede unserer obersten Ligen. Hat einer in der Swiss League 80 Skorerpunkte geholt, heisst das nicht, dass er sich oben behaupten kann. Unsere neuen Ausländer haben ihre Stärken, deshalb haben wir
sie verpflichtet. Und es sind gute Menschen mit Charakter.
Wie stehen Sie zur Erhöhung des Ausländerkontingents von vier auf sechs?
Ich lasse mich überraschen. Ich habe miterlebt, wie in Deutschland die Beschränkung von damals zwei ganz aufgehoben wurde, heute dürfen maximal neun eine Partie bestreiten. Junge durften damals mit mehr stärkeren Spielern spielen und wurden dadurch besser. Die Deutschen haben sich in den letzten Jahren gut entwickelt, das zeigen auch die NHL-Drafts. Viele sind der Meinung, dass sechs Ausländer in der National League zu viel sind. Aber warten wir mal ab. Ich kann mir gut vorstellen, dass junge Schweizer davon profitieren. Den Schweizern fehlt der Konkurrenzkampf. Jetzt muss auch hier jeder um seinen Platz kämpfen. Wichtig ist es, die Jungen zu fördern und ihnen eine Chance zu geben.
Auf der Goalieposition haben Sie mit dem Finnen Juha Mesola und Sandro Zurkirchen auch diese Saison die Qual der Wahl. Setzen Sie diesmal von Beginn weg auf eine Nummer Eins?
Die Aufteilung in Nummer Eins und Zwei mag ich nicht. Vielleicht ist ja die Nummer Drei die Eins Zurkirchen hat in der letzten Saison gezeigt, was er kann. Metsola muss sich zuerst an die neue Liga gewöhnen, die ist ganz anders als die KHL. Dort kommen die Schüsse von aussen und kaum aus dem Slot. Und die Spielweise bei uns ist viel schneller. Warten wir mal ab, wie es sich entwickelt. Wir haben zwei Torhüter mit viel Qualitäten und sind sehr glücklich über diese Situation.
Was fehlt nun noch, um eine Mannschaft zu stellen, die sich in der National League behaupten kann?
Das werden wir noch sehen. Wir haben Qualität auf allen Positionen. Als nächstes geht es darum zu schauen, wer zu wem passt. Wenn die Chemie im Team stimmt und wir gesund bleiben, werden wir uns sicher behaupten können. Dann werden wir schauen, was wir noch brauchen, was im Budget liegt und auf dem Markt ist. Nach den ersten zehn Meisterschaftsspielen kann ich mehr dazu sagen.
Der Aufstieg hat viel Euphorie ausgelöst, der Ansturm auf die Saisonkarten übertrifft die Erwartungen des EHC. Was dürfen die Fans von Ihrem Team erwarten?
Kampfgeist. Wir werden alles geben, um jeden Punkt zu holen. Wir wollen unser Stadion in einen Hexenkessel verwandeln, sodass unsere Gegner nicht gerne nach Kloten kommen. Wir wollen ein sehr unangenehmer Gegner sein. Unterstützen uns unsere Fans wie zuletzt in der Swiss League im Playoff, wird es für jedes Team schwierig, am Schluefweg zu spielen.
Was liegt für Kloten in der Saison 2022/23 drin?
Auch um dies zu beantworten, ist es noch etwas zu früh. Wir sind Aufsteiger, müssen die Kirche im Dorf halten und schauen, dass wir uns täglich verbessern können. Darauf bauen wir auf. Ein konkretes Ziel werden wir uns noch setzen.