Sich mit jedem Schritt besser finden
Die Klotener müssen unter Headcoach Jeff Tomlinson viel laufen. Der neue Trainerstaff und die Mannschaft spielen in Eistrainings ihre Automatismen ein.
Dominic Duss
Publiziert: 16.08.2021, 20:55 / Zürcher Unterländer
Geben im Training auf dem Eis Vollgas: Die Spieler des EHC Kloten bereiten sich derzeit vor allem mit viel Laufarbeit auf die Saison 2021/22 in der Swiss League vor.
Foto: Francisco Carrascosa
Ein Pfiff hallt durch die leere Swiss-Arena, dann ertönt Jeff Tomlinsons Stimme. Er trommelt seine Spieler zusammen, um ihnen Anweisungen zu erteilen. Nicht zu laut, aber unmissverständlich spricht der Deutsch-Kanadier zu seiner Mannschaft. «Er kann schon laut werden, wie es sich halt gehört», sagt Ramon Knellwolf nach dem zweistündigen Eistraining über den neuen Trainer.
«Einsatz und Tempo waren top», lautet das Fazit von Steve Kellenberger. Der 34-jährige Routinier steht vor seiner achten Spielzeit mit Kloten. Die Saisonvorbereitung verläuft jedes Jahr grundsätzlich gleich: Auf das Sommer- folgt das Eistraining, ehe erste Testspiele anstehen. «Spiele sind die besten Trainings», weiss Kellenberger aus Erfahrung. Aus ihnen lässt sich eruieren, wo das Team steht.
«Überlegen noch zu viel»
«Wir stehen noch am Anfang», hält Steve Kellenberger fest. Chefcoach Jeff Tomlinson ist daran, dem EHC seine Spielphilosophie einzuimpfen. «Das braucht Zeit», sagt der Angreifer der Flughafenstädter. Im Verlauf seiner Karriere hat Kellenberger die Umstellung auf ein ganz anderes Spielsystem schon mehrfach durchgemacht. Sie ist ein laufender Prozess, wobei Kleinigkeiten die Abstimmung aufeinander ausmachen. «Momentan wollen es alle zu gut machen und überlegen noch zu viel», bemängelt der Captain der vergangenen Saison. Tomlinson spricht gar davon, dass seine Jungs teils übermotiviert seien.
Schart seine Mannschaft in der Swiss-Arena um sich: Der neue Headcoach Jeff Tomlinson impft den Flughafenstädtern das neue Spielsystem ein.
Foto: Francisco Carrascosa
Viel Laufarbeit müssen die Spieler leisten. «Die Trainings sind intensiv», ergänzt Ramon Knellwolf. Der Coach lege grossen Wert aufs Läuferische. «Dass sich jeder – auch ohne Puck – viel bewegt», führt der 23-Jährige aus, der 2018/19 seine erste Elite-Saison am Schluefweg bestritt. «Wichtig ist ihm auch der Druck aufs Tor.» Und natürlich, dass alle umsetzen, was Tomlinson verlangt – sonst kann er durchaus noch lauter und deutlicher werden.
Bespricht Taktisches im Detail: Coach Tomlinson erklärt den Stürmern Robin Figren (vorne), Juraj Simek (links) und Marc Marchon die nächsten Schritte.
Foto: Francisco Carrascosa
Das neue System beschreibt Knellwolf, der mit 19 aus der U20 des EHC in die erste Mannschaft aufgestiegen ist, als strukturierter. Im Vergleich zu Vorgänger Per Hanberg nimmt der Ostschweizer den neuen Headcoach als «etwas offener» wahr. «Tomlinson redet mehr mit uns, spricht Gutes und weniger Gutes eher an.» Und er integriere das Laufen in Übungen, während es für andere Trainer eine Art Bestrafung sei. «Wir trainieren gut und kommen immer mehr rein», zeigt sich Knellwolf zufrieden.
Auf die richtigen Knöpfe drücken
Auch dem Cheftrainer gefallen die Fortschritte, die sein Team macht. Zufrieden mag sich Jeff Tomlinson allerdings nicht zeigen. «Dieses Wort benutze ich nicht gern», begründet der 51-Jährige. «Schliesslich gibt es immer Punkte, die kritisch betrachtet werden müssen, damit wir uns verbessern können.» Wie Kellenberger spricht er von einem Prozess, der sich über die ganze Saison hinweg hinziehe. «Noch ist vieles neu für uns alle», gibt der Headcoach zu bedenken.
«Die Trainings sind intensiv», sagt Angreifer Ramon Knellwolf (Mitte) – das zieht zwischendurch auch mal.
Foto: Francisco Carrascosa
In der Kennenlern- und Findungsphase seien Wachstumsschmerzen normal. «Manchmal zieht es», fügt Tomlinson an. Die Führung einer Mannschaft ist vergleichbar mit der Erziehung von Kindern, worin der ehemalige DEL-Spieler mit zwei erwachsenen Söhnen – Conner (22) und Zac (20) – Erfahrung hat. Diese kann er nun bei der Entwicklung seiner dreijährigen Tochter Olivia mit seiner zweiten Ehefrau einbringen. Und eben auch auf dem Eis oder an der Bande. «Man muss auf individuelle Bedürfnisse eingehen und herausfinden, wann wo welche Knöpfe gedrückt werden können», sagt Klotens Trainer. Seine Assistenten Kimmo Rintanen und Fabian Sutter unterstützen ihn in diesem Prozess.
Wichtig dabei ist Tomlinson vor allem eines: «Dass die Jungs jeden Tag etwas mitnehmen.» Mit all den neuen Informationen – und auch dem neuen «Vocab» –, die derzeit zu verarbeiten seien, werde ihnen zwar viel abverlangt. «Hauptsache ist aber, dass wir gemeinsam jeden Tag einen Schritt vorwärts machen.»
Unterstützen den Cheftrainer im Findungsprozess: Die Assistenten Kimmo Rintanen (rechts) und Fabian Sutter sind ebenso Teil davon.
Foto: Francisco Carrascosa
Die ersten Gradmesser
Resultate kann Jeff Tomlinson zwar noch keine wirklichen vorweisen. Der 7:2-Sieg im internen Trainingsspiel vom vergangenen Freitag gegen den EHC Bülach lässt kaum Schlüsse zu, wo die Mannschaft steht. Die drei Testpartien von dieser Woche sind dann viel mehr ein Gradmesser. «Wir treten gegen andere Kaliber an», sagt Steve Kellenberger im Hinblick auf das Duell am Mittwoch im Wallis gegen den Ligakonkurrenten Visp und die beiden Spiele vom Wochenende am Lehner-Cup. In Sursee spielen die Flughafenstädter am Samstag gegen Ambri-Piotta und am Sonntag gegen Tomlinsons Ex-Club, die Rapperswil-Jona Lakers. «Dann sehen wir mal, wo wir stehen», meint Ramon Knellwolf.
Kann kurz durchatmen, bevor es weitergeht: Steve Kellenberger fokussiert sich dabei schon auf die nächste Aufgabe.
Foto: Francisco Carrascosa
Die Vorfreude darauf, endlich wieder einmal vor Publikum spielen zu können, ist bei allen bereits spürbar. Ebenso gross ist die Erleichterung darüber, dass sich die Mannschaft im Gegensatz zum Vorjahr normal auf die Saison vorbereiten kann. «Einige Massnahmen müssen wir zwar schon beachten», sagt Tomlinson, «aber der Fokus ist in diesem Sommer voll aufs Eishockey gerichtet.» Ohne Einschränkungen und Maskenpflicht, so bereitet auch Knellwolf das Trainieren mehr Spass. «Und nachher können wir wieder normal atmen», lacht Kellenberger. Da sich die Spieler auf und neben dem Eis in der Halle uneingeschränkt bewegen und begegnen dürfen, verläuft auch der Findungsprozess einfacher und etwas schneller.