Aus der heutigen NZZ
Kloten muss, Olten darf
Die beiden Eishockeyklubs treffen im Final der Swiss League aufeinander – es treibt sie der gemeinsame Wunsch, dieser Liga zu entfliehen
Daniel Germann
Wenn am Montag die Finalserie zwischen dem EHC Kloten und dem EHC Olten beginnt, ist das auch ein Duell zwischen Müssen und Dürfen. Noch bevor der erste Puck eingeworfen ist, liefern sich die Präsidenten ein kleines Wortgefecht auf Distanz. Oltens Marc Thommen sagt: «Mike muss, ich darf aufsteigen.» Der angesprochene Mike Schälchli antwortet: «Wir müssen gar nichts. Ich habe den Spielern bereits bei der kleinen Feier nach unserem Qualifikationssieg gesagt: ‹Das Einzige, was wir müssen, ist sterben und Steuern zahlen.› Alles andere ist freiwillig. Es wäre völlig falsch, zusätzlichen Druck aufzubauen.»
Der Druck ist ohnehin da. Zum zweiten und letzten Mal steigt der Swiss-League-Meister ohne Ligaqualifikation in die National League auf. Thommen und Schälchli sind dieser Tage deshalb nicht nur sportliche Rivalen, sondern in gewisser Weise auch Schicksalsgenossen. Sie versuchen jener Liga zu entkommen, die sie gleichzeitig gemeinsam umzubauen versuchen. Durch die schrittweise Aufstockung der National League ist der zweithöchsten Liga teilweise die Existenzgrundlage weggebrochen. Vor einem Jahr verliess der HC Ajoie die Liga Richtung Topliga, diesmal folgt Kloten oder Olten.
Was dann noch bleibt, ist auch ein Stück Verzweiflung. Sierre, Thurgau, Winterthur, Biasca: Glamour klingt anders. Immerhin wird ab kommender Saison der EHC Basel wieder Teil der Liga sein. Doch auch er ist alles andere als ein Gigant im Schweizer Eishockey. Vor einem Jahr hat sich die National League selbständig gemacht. Die Swiss League lässt sich den Spielbetrieb zwar noch von ihr organisieren, im Marketing aber geht sie eigene Wege. «Wir waren eh nur Juniorpartner. In Abstimmungen waren wir immer chancenlos», sagt Thommen.
Das hat finanzielle Konsequenzen. Bisher erhielt jeder Klub aus der zentralen Vermarktung einen jährlichen Betrag von 370 000 Franken. Künftig rechnet Thommen allenfalls noch mit der Hälfte. Nach dem Auslaufen des gegenwärtigen TV-Vertrags muss die Liga einen eigenen Partner suchen. Sunrise-UPC, bei der die Rechte bisher lagen, bot 250 000 Franken pro Jahr, also 25 000 pro Klub, und verlangte im Gegenzug dafür Exklusivität. Darauf wollte sich die Liga nicht einlassen. Stattdessen versucht die Swiss League nun, die Liga über eine digitale Plattform zu ihren Konsumenten zu bringen. Klar ist: Die Swiss League wird es als regionales Produkt im übergrossen Schatten der National League noch schwerer haben, sich zu positionieren. Deshalb würden sich Kloten und Olten lieber heute als morgen der Eliteserie anschliessen.
Nie angekommen
Der EHC Kloten hat als fünffacher Meister eine lange Geschichte in der höchsten Liga, die Oltner spielten in den späten achtziger und frühen neunziger Jahren drei Saisons in der NLA und verstärkten sich in ihrer ersten A-Saison mit der deutschen Eishockeylegende Erich Kühnhackl. Am Ende blieben dem Klub Schulden von 3,65 Millionen Franken, die zu einem Spielerstreik und beinahe zum Konkurs führten. Mittlerweile steht der EHC Olten wieder auf einem soliden Fundament. Die Aktiengesellschaft wurde 2017 saniert, die Kleinholz-Halle für rund 15 Millionen Franken renoviert und der Zeit angepasst. Es gibt nun auch dort eine VIP-Lounge oder eine Fondue-Tribüne, mit der der Klub zusätzliche Einnahmen generiert. Die Investitionen in den Nachwuchs wurden erhöht.
In der laufenden Saison operiert Olten mit einem Budget von 6 Millionen Franken. Laut dem Geschäftsführer Patrick Reber wäre es möglich, dieses im Falle eines Aufstiegs auf 9 Millionen hochzufahren. Reber rechnet mit einem zusätzlichen Zuschauerpotenzial von zwischen 500 und 1000 Zuschauern. In der Regular Season spielte der EHC Olten durchschnittlich vor 2500 Zuschauern; in den Play-offs vor 3700. Der HC Ajoie zog als Aufsteiger in dieser National-League-Saison durchschnittlich 3626 Zuschauer an. Oltens Präsident Thommen sagt: «Wir spielen seit einigen Jahren in der Swiss League vorne mit und sind nun bereit, einen Schritt vorwärts zu machen. Wir haben national tätige Sponsoren, die mehr Interesse an der National League hätten.»
Der Satz könnte auch von Mike Schälchli stammen. Mittlerweile sind vier Jahre vergangen, seit der EHC Kloten abstieg. Doch zumindest im Kopf sind weder der Klub noch sein Anhang jemals in der B-Liga angekommen. Ihr Selbstverständnis prägen die neunziger Jahre, als Kloten zwischen 1993 und 1996 als bisher einziger Klub in der Play-off-Ära vier Titel aneinanderreihte.
Die Nachwuchsabteilung des EHC Kloten ist nach wie vor erstklassig und in allen Juniorenkategorien auf der Top-Stufe dabei. Mit einem Budget von über zehn Millionen Franken leistet sich Kloten noch immer einen Aufwand, der grösser ist als jener von NLA-Teams wie dem HC Ajoie oder den SCL Tigers. Klar ist aber auch: Gelingt die Rückkehr in die National League wieder nicht, könnte alles auseinanderbrechen.
14 Teams in der National League
Olten will weg aus der Swiss League, Kloten will weg aus der Swiss League, und auch der EHC Visp träumt vom Sprung zurück in die Elite, obschon die sportlichen Leistungen bis jetzt noch nicht mit den guten Rahmenbedingungen im Oberwallis korrespondieren. Oltens Präsident sagt, mit der Aufstockung habe die National League die Swiss League in eine sehr schwierige Lage gebracht, da der B-Liga zwei Topteams entzogen würden. Die Topliga wird ab dem kommenden Winter erstmals in ihrer Geschichte 14 Teams umfassen. Die Rückkehr zu den ursprünglich 12 Mannschaften ist zumindest im Moment kein Thema. Ein entsprechender Vorschlag wäre vor der Ligaversammlung chancenlos. Nach der Übergangszeit der Corona-Jahre soll die Ligaqualifikation zwar wieder eingeführt werden. Doch weil ab der kommenden Saison in den A-Teams sechs statt wie bisher vier Ausländer zugelassen sind, wird das Nadelöhr zwischen den Ligen noch enger.
In diesem Umfeld versucht der Swiss-League-Geschäftsführer Jean Brogle eine neue wirtschaftliche Basis für die Klubs zu schaffen. In Kooperation mit Mike Schälchlis Event-Agentur Tit-Pit sucht er nach einem Titelsponsor und baut eine eigene Fernsehplattform auf. Resultate gibt es bis jetzt aber noch keine. Das wirtschaftliche Umfeld ist schwierig – zumal das Produkt, das Brogle vermarkten soll, wenig überzeugt. Zu heterogen sind die sportlichen Interessen innerhalb der Liga.
Das sind die Voraussetzungen, unter denen am Montag die Finalserie über maximal sieben Spiele beginnt. Kloten und Olten haben beide von der National League grundsätzlich grünes Licht für den Aufstieg erhalten. Das Beispiel des HC Ajoie macht nicht nur den Klubs, sondern auch der Ligaführung Hoffnung. Sportlich waren die Jurassier in der Topklasse zwar überfordert. Sie gewannen nur sieben von 51 Spielen. Doch wirtschaftlich scheint das Abenteuer aufzugehen. Mit einem Minimalbudget von sieben Millionen Franken in die Saison gestartet, konnten die Jurassier den Etat dank der Euphorie in der Region Schritt für Schritt auf mittlerweile über neun Millionen Franken erhöhen.
Doch geniessen auch der EHC Kloten und der EHC Olten solchen Rückhalt? Werden auch ihre Anhänger Niederlagenserien mit ähnlichem Langmut trotzen wie jene des HC Ajoie, die 19 verlorene Spiele am Stück singend über sich ergehen liessen, ohne dabei die Freude an Eishockey und Weisswein zu verlieren?
Fragezeichen sind erlaubt. Der EHC Kloten liegt im mächtigen Schatten der ZSC Lions, der EHC Olten muss seinen Platz je eine gute Autostunde vom EV Zug, dem SC Bern und den SCL Tigers entfernt suchen. Marc Thommen sagt: «Die National League ist für uns finanziell einfacher zu planen.» Nicht nur auf dem Eis steht in der kommenden Finalserie einiges auf dem Spiel