Ein weiterer Bericht über den Untergang der Swiss League aus der NZZ:
Eine Liga auf dem Sterbebett – die Swiss League kämpft um ihr Überleben
Strukturelle Probleme, überzogene Erwartungen und der Streit zwischen National League und Verband führen dazu, dass die zweithöchste professionelle Liga in der Schweiz auseinanderzubrechen droht. Traditionsklubs wie der EHC Olten, der EHC Visp oder der SC Langenthal bangen um ihre Zukunft.
In einem Monat beginnt die Schweizer Eishockey-Meisterschaft. Die Klubs quer durch die National League rüsten mit Hochpreis-Ausländern aus der russischen KHL auf, die wegen Wladimir Putins Überfall auf die Ukraine im internationalen Eishockey zum Paria geworden ist. Die kommende Meisterschaft verspricht zu einer der spektakulärsten der vergangenen Jahre zu werden.
Darunter fragt sich der Grossteil der zehn Swiss-League-Vertreter: «Und wo bleibt unser Platz in der Pyramide des Schweizer Spitzen-Eishockeys?» Seit sich die National League formell vom Schweizer Eishockey-Verband (SIHF) gelöst und damit die Swiss League in die Unabhängigkeit gezwungen hat, hat diese Liga kein Geld, keinen Markt und auch keine sportliche Perspektive mehr.
Nur wenige Wochen vor dem Meisterschaftsstart wies die Führung ihre Klubs in einem dramatischen vierseitigen Brief auf die desolate Situation hin. Selbst gemässigte Protagonisten bezeichnen die Lage als katastrophal. Der Langenthaler Klubpräsident Gian Kämpf, einer der langjährigen Wortführer in der Liga, sagt: «Geschieht nicht schnell etwas, gibt es uns in zwei, drei Jahren nicht mehr.»
Doch woher soll die Hilfe kommen? Im Schosse der National League waren und fühlten sich die Vertreter der zweithöchsten Liga nicht mehr willkommen. Sie gründeten deshalb eine eigene Körperschaft, gingen eine Kooperation mit der SIHF ein und versuchten sich selber zu vermarkten.
Doch das Resultat dieser Bemühungen ist niederschmetternd. Vom Verband kam keine Hilfe, und die mandatierte Vermarktungsagentur des Klotener Präsidenten Mike Schälchli fand mit dem Online-Versicherungsanbieter Wefox zwar einen Partner, der für ein umfangreiches Werbepaket unter anderem mit dem Liga-Namensrecht und der Präsenz in sämtlichen Mittelkreisen sowie auf den Dresses aller zehn Klubs bereit gewesen wäre, rund eine halbe Million Franken oder knapp 50 000 Franken pro Klub zu zahlen. Doch das sei viel zu wenig, befand die Mehrheit und entzog Schälchli das Mandat.
Mit Ajoie und Kloten verabschiedeten sich in den letzten beiden Jahren zwei tragende Klubs aus der Swiss League
Schälchli ist mit seinem EHC Kloten noch rechtzeitig der Sprung in die National League gelungen. Doch ohne den EHC Kloten und den HC Ajoie fehlen der Liga nicht nur solide Partner, sondern auch publikumswirksame Zugpferde. Ihre Partien werden künftig über die Streamingplattform von Asport verbreitet. Doch das bringt kein Geld, sondern kostet mutmasslich: Peter Zahner, der neben den ZSC Lions auch dessen Partnerteam GCK Lions verantwortet, rechnet mit Kosten von 65 000 Franken für die sogenannte OTT-Lösung.
Bisher hatten die Swiss-League-Klubs pro Saison 385 000 Franken aus der zentralen Vermarktung erhalten. Dieser Betrag fällt nun ersatzlos weg. Für Klubs wie den EHC Winterthur oder die Ticino Rockets, die mit Budgets von knapp 2 Millionen Franken operieren, ist das verheerend. Für sie geht es um die Existenz. Winterthur beispielsweise hat einen Einstellungsstopp verfügt.
Marc Thommen, der Präsident des EHC Olten, gehörte zusammen mit Gian Kämpf zu den Initianten und Befürwortern des neuen Weges. Man träumte davon, ein Konkurrenzprodukt zur National League aufzubauen. Diese Pläne sind krachend gescheitert. Thommen sagt, es habe keine Alternative gegeben. Im Rückblick sei dieser Alleingang aber ein Fehler gewesen. «Die Rahmenbedingungen haben sich geändert. Wir gingen damals von zwei Zwölferligen aus. Seither haben wir mit Ajoie und Kloten zwei unserer zugkräftigsten Klubs verloren.»
Die Ligaqualifikation wird im kommenden Frühjahr nach zwei Jahren Corona-Pause zwar wieder gespielt. Doch de facto ist die National League nach ihrer Erweiterung von 12 auf 14 Teams mehr oder weniger geschlossen. Das Nadelöhr zwischen den beiden Ligen wird immer enger. Die National League spielt ab dieser Saison mit sechs Ausländern, in der Swiss League sind es zwei.
Derzeit ringen die beiden Ligen um die Modalitäten der Ligaqualifikation. An einer Sitzung am Mittwoch sollen die Rahmenbedingungen festgelegt werden. Findet sich kein Konsens, dann droht die nächste Eskalation. Bereits hat der Verbandspräsident Michael Rindlisbacher beim renommierten Juristen András Gurovits ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Findet sich keine Lösung, dann drohen gewisse Swiss-League-Klubs mit dem Gang vor den Internationalen Sportgerichtshof oder die Wettbewerbskommission.
Swiss Ice Hockey als Dachorganisation des Schweizer Eishockeys gibt in der Angelegenheit eine jämmerliche Figur ab. Statt zu vermitteln, baut der Verband neue Drohgebärden auf, die das ohnehin belastete Klima zwischen ihm und der Liga weiter vergiften. Selbst in mehreren Swiss-League-Vereinen wünscht man sich einen Wechsel an der Verbandsspitze und einen neuen Präsidenten, der vermittelt und nicht weiter spaltet.
Der EHC Visp gilt als der praktisch einzige Klub in der Swiss League, der infrastrukturell, aber auch vom Einzugsgebiet her in der National League bestehen könnte. Doch auch bei dessen CEO Sébastien Pico macht sich Ernüchterung breit. Er sagt: «Gewisse Klubrepräsentanten gehen gar nicht mehr an die Sitzungen, weil sie sich und ihre Bedürfnisse nicht ernst genommen fühlen. Die National League schaut nur noch für sich selber.»
Der Wert der Swiss League als Ausbildungsliga ist unbestritten. Einigkeit herrscht im Prinzip auch darüber, dass je zwölf Teams pro Liga dem Schweizer Markt und dem Spielerpotenzial angemessen wären. Doch eine Rückkehr der National League zu zwölf Teams ist politisch undenkbar. Die Topklubs verteidigen ihre Interessen aus einer Position der Stärke heraus.
Eine Task-Force soll die Zukunft der Swiss League sichern
Das Schweizer Eishockey steht deshalb neben dem Eis vor einer Zerreissprobe. Der Zusammenbruch der Swiss League ist mehr als ein Katastrophenszenario von professionellen Schwarzmalern. Die National League hat der Swiss League angeboten, über den Kooperationsvertrag jedem Klub 50 000 Franken zukommen zu lassen – allerdings nur dann, wenn die Klubs sich ihrem Diktat beugen. Leicht spöttisch spricht man innerhalb der Liga von Almosen, die dem darbenden Stiefkind zukämen.
Der Versuch, die Swiss League als eigenständiges Produkt im Markt zu positionieren, ist also gescheitert. Es gibt ausserhalb der involvierten Regionen weder einen Markt noch ein Bedürfnis für eine Liga wie sie. Eine Task-Force, bestehend aus dem Verbands-CEO Patrick Bloch, dem National-League-Direktor Denis Vaucher und dem neuen Swiss-League-Geschäftsführer Patrick Signer, bemüht sich darum, den finanziellen Schaden zu begrenzen und dafür zu sorgen, dass Eishockey weiterhin nicht nur in den grossen Arenen in Zug, Zürich, Bern oder dem Tessin gespielt wird. Die Aufgabe wird alles andere als einfach.