Der EHC Kloten ist zurück in der National League – der baldige Abgang des Sportchefs könnte die happige Aufgabe erschweren
Der aufgestiegene EHC Kloten dürfte in diesem Winter jene Nehmerqualitäten benötigen, die auch seinen Trainer Jeff Tomlinson auszeichnen. Dieser hat sich von gesundheitlichen Rückschlägen erholt.
Jeff Tomlinson sitzt in Kloten am Bahnhof, es ist ein sonniger Augusttag. Tomlinson nippt an einem Multivitaminsaft und sagt fast vergnügt: «Ich bin immer noch da.»
Selbstverständlich ist das nicht. Der Trainer des EHC Kloten war unmittelbar nach dem Aufstieg de facto schon verabschiedet worden; es hiess, er werde aus gesundheitlichen Gründen eine andere Rolle im Verein übernehmen. Doch der Deutschkanadier hat seinen Titel behalten. Er kann als eine Art Chefcoach nach nordamerikanischem Vorbild betrachtet werden, der auf viele Zuarbeiter und Spezialisten vertraut, am Ende aber die Entscheide fällt.
Zur Unterstützung ein zweiter finnischer Assistenztrainer
Tomlinson, 52 Jahre alt, mag nicht mehr in der Öffentlichkeit über seinen Gesundheitszustand reden, er wünscht sich in dieser Frage Zurückhaltung und sagt nur, dass er sich im Frühjahr nach 65 Pflichtspielen ausgelaugt gefühlt habe. Inzwischen sind seine Energiespeicher wieder voll, und Tomlinson traut sich eine weitere Saison an der Bande zu.
Das passt zur Stehaufmentalität dieses Mannes, der vor sieben Jahren als unbekannter Trainer in die Schweiz gewechselt ist – und seither alle Erwartungen übertroffen hat. Er sagt: «Ich arbeite mehr als fünfzehn Jahre als Trainer. Der Job hat sich stark gewandelt, er wird immer anspruchsvoller und umfassender. Ich habe gewisse Einschränkungen. Aber ich erhalte vom Klub alle Unterstützung, die ich brauche. Die Konstellation jetzt ist top.» Kloten hat Tomlinson mit dem Finnen Saku Martikainen einen zweiten Assistenztrainer zur Seite gestellt. Schon vorher unterstützt wurde er von dessen Landsmann Kimmo Rintanen, einer Klubikone im EHC.
Für Kloten ist der Verbleib Tomlinsons, der bereits in Rapperswil-Jona erfolgreich gearbeitet hat, ein Volltreffer – nachdem der EHC den schwedischen Vorgänger Per Hanberg als Fehlgriff hatte abbuchen müssen. Die Realität ist aber auch, dass selbst ein Welttrainer wie Scotty Bowman aus diesem Klotener Kollektiv keinen ernsthaften Play-off-Kandidaten zimmern könnte.
Unter den Schweizer Spielern im Kader gab es wenig Mutationen. Der EHC hatte das Los aller Aufsteiger: Zahlreiche Verträge in der Swiss League waren so ausgestaltet, dass sie sich mit dem Aufstieg automatisch verlängerten, auch wenn ein Spieler in der National League über keinerlei sportliche Perspektive verfügte. Fabian Ganz landete in Bülach in der MyHockey League, Ramon Knellwolf im Thurgau, Jeffrey Füglister befindet sich im Probetraining beim SC Langenthal. Keiner dieser Wechsel ist für Kloten kostenneutral – das ist der Preis des Aufstiegs in diesem Land.
Der Abgang des Sportchefs Patrik Bärtschi erschwert die Klotener Suche nach einer eigenen Nische
Kaum jemand weiss das besser als Tomlinson, der schon Rapperswil zurück in die Beletage führte und dann mit 19 Punkten Rückstand abgeschlagen Letzter wurde, weil die Lakers sich nicht hatten verstärken können. Der Transfermarkt, das ist eine Schweizer Eigenheit, war zum Zeitpunkt des Aufstiegs längst leergefegt.
Ganz so brutal kündigt sich die jetzige Saison für Kloten nicht an; mit den SCL Tigers und Ajoie befinden sich zwei Teams in Schlagdistanz. Am Donnerstag konnte Kloten zudem die Verpflichtung von Axel Simic vom HC Davos bekanntgeben, einem ehemaligen Juniorennationalspieler, der auf Anhieb einer der besten Schweizer Stürmer im Kader sein dürfte.
Simic, 23, ist ein Zuzug des Sportchefs Patrik Bärtschi, der den Klub per Saisonende verlassen wird. Bärtschi war erst vor zwei Jahren auf Felix Hollenstein gefolgt, eine andere Klubikone. Zu den Gründen für seinen Abgang schweigt Bärtschi, der frühere Nationalspieler. Seine berufliche Zukunft ist offen – was auch etwas aussagt über seinen Abschied. Aus der Firma Skillz Consulting GmbH, die er unlängst mit dem Spieleragenten Sven Helfenstein gegründet hat, ist Bärtschi im Sommer ausgestiegen. Er sagt: «Es geht jetzt nicht um mich, sondern um den Klub und einen gelungenen Saisonstart.»
Bis Ende April ist Bärtschi aber noch da. Er agiert als Puffer zwischen der Kabine und dem Verwaltungsrat. Und er steht vor kniffligen Monaten. Der EHC definiert sich als Ausbildungsverein, aber in dieser Rolle sehen sich je nachdem auch Klubs wie Rapperswil-Jona, Genf/Servette, Ambri-Piotta, Langnau, Davos oder Biel. Eine eigene Nische muss Kloten erst noch finden.
Im Herbst sollen zwei weitere Grossaktionäre einsteigen
Der Klubpräsident Mike Schälchli sagt, es gehe darum, den Klub nach vier Jahren Abstinenz wieder in der National League zu etablieren. Für den Herbst ist eine Aktienaufstockung geplant. Schälchli spricht vom Einstieg von zwei Grossaktionären. «Das Aktionariat soll auf mehr Schultern verteilt werden.» Sportlich erwartet Schälchli kleine Schritte, er sagt: «Wir haben nicht die finanziellen Ressourcen der grossen Teams. Wir müssen uns erst einmal behaupten.» Acht Jahre nach der letzten Finalqualifikation – damals unterlag Kloten mit 0:4 Siegen den ZSC Lions – ist das die neue Wirklichkeit.
Das Budget wurde deutlich angehoben, allein die zusätzlichen TV- und Marketingeinnahmen betragen 3,95 Millionen Franken. Dazu kommen erhöhte Einnahmen aus dem Ticketing und dem Catering. Die Mittel haben es Kloten ermöglicht, hochkarätige Ausländer zu verpflichten. Da ist der finnische Torhüter Juha Metsola, der beste Referenzen aus der KHL mitbringt. Der Center Miro Aaltonen gehörte im Februar zur Equipe, die für Finnland Olympiagold holte. Und Lucas Ekestahl Jonsson war 2021/22 einer der produktivsten Defensivspieler der schwedischen Liga.
Auf den Ausländern lastet viel Verantwortung, sie werden ein enormes Pensum leisten müssen, wenn Kloten konkurrenzfähig auftreten will. Aus ihrem Kreis schon länger im Klub ist einzig der Kanadier Éric Faille. Auch hier hat die Erfahrung Tomlinsons eine Rolle gespielt: 2018 bei den Lakers durften aus Loyalität beide Ausländer der Aufstiegssaison zunächst bleiben, obwohl schnell klar war, dass sie auf dem höheren Niveau überfordert sind. Da wurde ein Fehler begangen, den Kloten nun vermieden hat.
Mit Jonathan Ang steht zwar ein zweiter Angreifer im Kader, der in letzter Zeit nur in der Swiss League beschäftigt war, er kam vom HC Thurgau. Doch der Kanadier hat den Speed, um auch in der National League zu bestehen.
Das Ziel von 4000 verkauften Saisonabonnements hat der Klub noch nicht erreicht
Die Gewissheit, dass eine schwierige Saison bevorsteht, scheint sich auch beim Anhang verbreitet zu haben: Das Ziel von 4000 verkauften Saisonabonnements hat der Klub vor dem Saisonstart vom Sonntag gegen Rapperswil-Jona noch nicht erreicht. In der Swiss League, wo Siege die Norm waren, besuchten in der letzten Saison durchschnittlich 4170 Menschen die Heimspiele; Kloten war mit Abstand der Zuschauerkrösus.
Der Coach Tomlinson erwartet eine «anspruchsvolle Saison». Aber er sagt auch: «Wir werden unsere Punkte schon machen.» Der Ligaerhalt ist das Ziel. Gewiss wäre es dem Wohlbefinden Tomlinsons zuträglich, würde dies stressfrei erreicht.