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Sie tischt vor der Garderobe auch mal Linsen auf
Sandra Strasser ist die einzige Frau auf diesem Posten in der National League. Die Teammanagerin weiss, was die Spieler mögen, die Ausländer brauchen und wann Sprücheklopfen deplatziert ist.
Sie mag es schlicht und praktisch. Am liebsten trägt Sandra Strasser zur Arbeit Jeans und ihren dunkelblauen Hoodie mit dem weissen Vereinslogo. Für eine Frau, die so schnell friert wie sie, ist der dicke Pullover unentbehrlich. Fix läuft sie an diesem bitterkalten Wintermorgen durch die Katakomben der Stimo Arena und sagt: «Die tiefen Temperaturen in der Eishalle sind tatsächlich der einzige Nachteil meines Jobs.»
Mit ihrer Kleiderwahl reiht sich die 45-Jährige in der Garderobe der ersten Klotener Mannschaft farblich perfekt ein ins Blau von Teppich, Tenue und Trainingshose. «Es wäre mir gerade recht, wenn ich auf dem Foto nicht so stark auffalle», meint sie schmunzelnd. So ganz kann Sandra Strasser es nicht verstehen, warum sie, die doch sonst im Hintergrund arbeitet, plötzlich im Scheinwerferlicht stehen soll.
Seit August ist sie Teammanagerin des EHC Kloten und aktuell die einzige Frau in der National League in dieser Funktion. In den anderen dreizehn Vereinen sind Männer für das Organisatorische rund um die erste Mannschaft zuständig. Ein Fakt, dem Strasser nicht zu viel Bedeutung beimessen will: «Ob nun ein Mann oder eine Frau meine Aufgaben erledigt, spielt wirklich keine Rolle. Es muss einfach jemand sein, der gut organisieren kann.» Die Klotener Spieler sehen die Sache gleich. «Dass eine Frau den Job übernimmt, war wirklich kein Thema», sagt Captain Steve Kellenberger. »Ich glaube, soweit sind wir inzwischen als Gesellschaft – und im Schweizer Eishockey.»
Vom Reisbüro in die Eishockeyarena
Dennoch ist «Teammanagerin in einem Eishockeyverein» kaum ein Berufswunsch, den Schulmädchen gemeinhin in die Poesiealben schreiben. Sandra Strasser war da keine Ausnahme. Wenn sie nach dem Unterricht in der Autogarage ihrer Eltern im aargauischen Fislisbach die Hausaufgaben machte, wünschte sie sich, dereinst wie ihre Mutter im Büro zu arbeiten. Und genau dort ist Strasser nach ihrer KV-Ausbildung gelandet.
Ihr Weg führte von der Reisebranche über die Migros zum Sportamt der Stadt Bülach und schliesslich auf die Geschäftsstelle des EHC Kloten, wo sie zuletzt für den Nachwuchsverbund der Young Flyers arbeitete. Im vergangenen Sommer half sie mit, die sechs neuen Ausländer des National-League-Aufsteigers zu betreuen, ihnen Wohnungen und Schulplätze für ihre Kinder zu organisieren. Als dann der damalige Teammanager Beat Equilino kündigte, wurde Sandra Strasser gefragt, ob sie dessen Nachfolgerin werden wolle. Sie musste nicht lange überlegen: «Es war ein tolles Angebot. Und dass ich Teilzeit arbeiten kann, macht es perfekt.»
Ihre Söhne Robin (12) und Pascal (15) haben sich schnell und gern daran gewöhnt, dass die Mutter während der Saison am Abend regelmässig von ihrem Zuhause in Hochfelden an den Schluefweg fährt. Schliesslich ist Hockey ein Sport, der die ganze Familie Strasser begeistert. Während Pascal in der Hirslen in Bülach Unihockey spielt, jagt sein jüngerer Bruder in der Eishalle nebenan den Puck. Er eifert damit seinem Vater Beat nach, der im EHC Bülach bei den Veteranen aktiv und als Trainer im Juniorenbereich tätig ist.
Nicht selten sitzt an einem Heimspiel des EHC Kloten auch die Familie im Stadion. «Robin ist Fan, ich bin Sympathisantin», sagt Sandra Strasser lachend. Zweifelsohne ist es für den Zwölfjährigen ein Erlebnis, wenn er seine Mutter ab und zu an einem Spieltag zur Arbeit begleiten und mithelfen darf, vor der Garderobe das im Detail geplante Buffet aufzubauen. «Das Essen», sagt Sandra Strasser, «ist für die Spieler enorm wichtig.»
Darauf angesprochen, pflichtet ihr Captain Kellenberger bei und meint: « Es ist bestimmt nicht ganz einfach für sie, hier alle Wünsche unter einen Deckel zu bringen.» Tatsächlich brauchte Strasser etwas Zeit, um herauszufinden, wie sie den verschiedenen kulinarischen Vorlieben und Abneigungen am besten gerecht wird. Inzwischen weiss sie: Pasta und Poulet sind ein Dauerbrenner. Und Linsen machen sich als Alternative zu Fleisch ebenfalls gut auf dem Speiseplan.
Die Spieler essen nach den Heimpartien jeweils gemeinsam an einem einfachen Holztisch, der knapp in die kleine Nische vor der Garderobe passt. Auch wenn sie zusammenrücken, hat es nicht für alle Platz. Gegessen wird darum gestaffelt. «Das funktioniert problemlos», versichert Strasser. Einige Spieler würden zuerst unter die Dusche gehen oder noch eine Weile aufs Indoorvelo sitzen. «Sie sind alle bodenständig und unkompliziert.»
Sammelsurium an Aufgaben
Das Jobprofil der Teammanagerin enthält ein Sammelsurium an Aufgaben. Neben der Verpflegung an Heim- und Auswärtspartien kümmert sich Sandra Strasser um Trainingsmaterial, Kleidung und Autogrammstunden. Sie plant die Einsätze einzelner Spieler an Vereinsevents und Sponsorenanlässen, organisiert Trainingsweekends, Carfahrten, Saison- und Parkplatzkarten. Im Austausch mit Sportchef Larry Mitchell setzt sie die Verträge auf, betreut das Lizenzwesen, das bei der gewachsenen Zahl an Ausländern im Team anspruchsvoller geworden ist, und koordiniert die Medientermine. Darum weiss Strasser auch, dass Topskorer Jonathan Ang und Shootingstar David Reinbacher bei TV- und Printmedien gerade die gefragtesten Interviewpartner sind.
Am meisten Berührungspunkte hat sie mit den ausländischen Spielern. Die Neuankömmlinge haben oftmals Fragen zu ganz alltäglichen Themen wie der Schule für ihre Kinder, Anmeldeformalitäten oder dem Schweizer Entsorgungssystem mit den Abfallsäcken. Sie könne beim besten Willen nicht sagen, was ihr an ihrer Arbeit am besten gefalle, sagt sie gutgelaunt. «Ich mag einfach die ganze Vielfalt.»
Sandra Strasser sucht die Abwechslung. Und doch gibt es in ihrem Berufsalltag auch Konstanten, eine davon ist der robuste Holztisch in der abgetrennten Ecke vor der Spielergarderobe. Hier sitzt die Teammanagerin zwei bis dreimal die Woche vor oder nach den Trainings für rund eine halbe Stunde, damit die Spieler direkt und auch spontan auf sie zukommen können.
Die Nische ist in dieser Zeit als Umschlagplatz für die Wünsche und Anliegen der Hockeyprofis gedacht, wird aber nicht selten zum Pausenraum, in dem Gespräche entstehen, die sich nicht nur um Eishockey drehen. Die Kinder sind hierfür meist ein guter Eisbrecher. Strasser erzählt, wie sie von Assistenzcoach Saku Martikainen kürzlich mehr über ihr Leben in Finnland erfuhr. «Er hat mir zudem Fotos gezeigt von dem kleinen Eisfeld, das die Familie einst vor ihrem Haus selbst angelegt hat.» Es sind kurze Begegnungen wie diese, die Strasser besonders schätzt. Im Moment, sagt sie, seien die meisten für ein Spässchen zu haben. Sie merkt den Spielern an, dass es sportlich gerade gut läuft: «Sie lachen viel und wirken gleichzeitig unheimlich fokussiert.»
Ein Spruch je nach Stimmung
Als der Aufsteiger zu Beginn der Meisterschaft Anpassungsschwierigkeiten hatte und die ersten fünf Spiele in Serie verlor, konnte Sandra Strasser die Anspannung und den Druck in der Stimo Arena schier mit den Händen greifen. Sie habe sich dann zurückgehalten und einfach geschaut, dass das Essen passt. «Floskeln und Sprüche, auch wenn sie gut gemeint sind, will in diesem Moment niemand hören.»
Inzwischen ist das Selbstvertrauen der Klotener durch die imposanten Siegesserien und zahlreiche Standing Ovations des Publikums gestärkt worden. Auch die Teammanagerin hat an dieser Mannschaft gerade «extrem Freude» und das nicht nur wegen der jüngsten Erfolge. «Das Team hält zusammen und ist emotional sehr stabil. Und jeder kämpft für jeden, das gefällt mir besonders.» Bei den aktuellen Auftritten der Klotener Equipe wird Sandra Strasser Mal für Mal warm ums Herz. Sie kann darum gut damit leben, dass sich ihre Füsse trotz der gefütterten Winterschuhe stets ein bisschen kalt anfühlen.